Archiv der Kategorie Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht

§ 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist im Sinne von höherrangigem Unionsrecht auszulegen.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitsnehmers dessen Urlaub festzulegen. Wenn der Urlaub nicht genommen wird, verfällt er grundsätzlich am Jahresende (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG). Im Ausnahmefall kann er bis zum 30.03. des Folgejahres genommen werden, doch nicht genommener Urlaub verfällt auch dann ersatzlos.

Hierzu entschied der Europäische Gerichtshof, dass dies nicht in allen Konstellationen mit höherrangigem europäischem Recht vereinbar ist und deshalb europarechtskonform auszulegen ist.

Ende 2016 legte das BAG dem EuGH die Frage vor, ob Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, von sich aus (also ohne Urlaubsantrag des Arbeitnehmers) für dessen Urlaubsgewährung Sorge zu tragen und was die Konsequenzen bei Verletzung dieser Pflicht wären (siehe hiezu Richtlinie 2003/88/EG „Arbeitszeitgestaltung“).

Der EuGH entschied am 06.11.2018, Az. C-684/16 – Shimizu, im Sinne der Arbeitnehmer, die in den Augen des EuGH bei der Geltendmachung von Urlaubswünschen und –ansprüchen für strukturell schwächer gehalten werden als die Arbeitgeber, die nun verstärkt in die Pflicht genommen werden.

Das Unionsrecht lässt es nicht zu, dass die Arbeitnehmer die ihnen nach Unionsrecht zustehenden Urlaubstage (also Mindesturlaub) alleine und nur deshalb verlieren, weil sie vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder vor Ablauf des Kalenderjahres (als Bezugszeitraum des Urlaubsanspruches) keinen Urlaub beantragt haben.

Im Sinne dieses EuGH-Urteils entschied nun das BAG in 9 AZR 541/15 vom 19.02.2019, dass dem Arbeitgeber die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruches des Arbeitnehmers obliegt. Der Arbeitgeber ist gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn, erforderlichenfalls förmlich, auffordert, dies zu tun“.

Der Arbeitgeber hat also klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraumes verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt. Nach Lesart des BAG trägt der Arbeitgeber für die Aufforderung zur Urlaubnahme die Beweislast. Kann er die Aufforderung nicht nachweisen, ist im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaub dann abzugelten.

Haben Sie Fragen zum Urlaubsrecht, Urlaubsabgeltung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Kündigung, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Rechtsanwalt Thomas Linhardt

Linhardt. Rechtsanwälte

Das Bundesverfassungsgericht erteilte der seit 2011 gängigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers eine Absage.

Die seit 8 Jahren gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, nach der eine sachgrundlose Befristung nur dann zulässig sei, wenn eine Vorbeschäftigung beim gleichen Arbeitgeber mehr als drei Jahre zurückliege, überschreitet die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben, so das Bundesverfassungsgericht vom 06.06.2018 (Az. 1 Bvl 7/14, 1 BvR 1375/14). Der Gesetzgeber habe eine Karenzzeit von drei Jahren erkennbar gerade nicht regeln wollen.

Im Jahre 2011 hatte das BAG (06.04.2011 – 7 AZR 716/09) entschieden, § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) erfasse in verfassungskonformer Auslegung nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen. Diese Rechtsprechung musste das BAG in Urteil vom 23.01.2019, 7 AZR 733/16 aber nunmehr aufgeben.

Das Bundesverfassungsgericht gibt den Arbeitsgerichten weiterhin Freiraum zur verfassungskonformen Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung für den Arbeitnehmer unzumutbar ist. Wenn die Gefahr der Kettenbefristung unter Ausnutzung der Unterlegenheit des Arbeitnehmers nicht besteht, ist das Verbot der sachgrundlosen Befristung auch nicht erforderlich, um grundsätzlich das unbefristete Arbeitsverhältnis als solches zu erhalten.

Die sachgrundlose Befristung kann weiterhin zulässig sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, die Art der Arbeit eine ganz andere war oder das frühere Arbeitsverhältnis nur von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Beispiele oder Definitionen werden dabei weder vom Bundesverfassungsgericht noch vom Bundesarbeitsgericht genannt.
Im vorliegenden Fall konnte sich der beklagte Arbeitgeber auch nicht darauf berufen, die Berufung auf Grundlage der seit dem Jahr 2011 geltenden Rechtsprechung eingelegt zu haben. Nach Ansicht des BAG musste der Arbeitgeber jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die vorgenommene Auslegung der Norm vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.

Das zunächst sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers wurde somit zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Für befristet beschäftigte Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sich ein Vorgehen gegen die Befristung, sofern sie sachgrundlos vereinbart wurde und eine Vorbeschäftigung beim gleichen Arbeitgeber vorlag, lohnen kann, weil rechtlich bereits ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden ist.

Arbeitgeber dagegen sollten bei befristeten Arbeitsverträgen ohne Sachgrund sorgfältig abwägen, falls der Arbeitnehmer bereits zu einem früheren Zeitpunkt beschäftigt war.

Erst die künftige Rechtsprechung wird die Begriffe, wie „sehr kurzes Arbeitsverhältnis“, „andere Art der Arbeit“ und „Zurückliegen der Vorbeschäftigung“ klären und Rechtssicherheit schaffen.

Gerne stehen wir Ihnen für die Überprüfung Ihres befristeten Arbeitsverhältnisses oder der Gestaltung eines solchen zur Verfügung.

Rechtsanwalt Thomas Linhardt
Linhardt. Rechtsanwälte