Artikel Tags Widerrufsrecht

Banken und Sparkassen müssen beim Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen über das nach § 495 BGB bestehende Widerrufsrecht und den Beginn der Widerrufsfrist richtig und verständlich informieren. Sind die erteilten Widerrufsbelehrungen fehlerhaft beginnt die gesetzlich vorgegebene Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht zu laufen, d. h. die Vertragsabschlüsse können – jedenfalls nach der bisherigen Rechtslage – noch Jahre später widerrufen werden.

Dem vorgenannten Widerrufsrecht unterliegen nur Verbraucherdarlehensverträge. Dabei handelt es sich um Darlehensverträge zwischen Unternehmen (Bank) und Privatleuten (Verbraucher) für private Zwecke. Dazu gehören seit dem 01.11.2002 auch private Immobiliendarlehensverträge.

Eine Widerrufsbelehrung kann fehlerhaft sein, weil die Widerrufsfrist falsch bzw. missverständlich wiedergegeben wird (z. B. „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“), weil die Rechtsfolgen des Widerrufs nicht erläutert oder falsch angegeben werden oder weil ergänzende Anmerkungen verwirren oder unverständlich sind. Eine Vielzahl an Urteilen ist hierzu ergangen, ob eine konkrete Widerrufsbelehrung diesen Anforderungen stand hält, muss im Einzelfall geprüft werden.

Seit dem Jahr 2002 wurden vom Gesetzgeber mehrfach amtliche Muster-Widerrufsbelehrungen herausgegeben, die ihrerseits jedoch fehlerhaft waren und von den Gerichten beanstandet wurden. Hat die Bank den jeweils gültigen amtlichen Mustertext ohne Änderungen übernommen, so ist ein Widerruf nicht möglich. Die Bank wird durch Verwendung des amtlichen Mustertextes geschützt. Tatsächlich wurde von den Mustertexten jedoch häufig abgewichen. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) geht der Schutz des amtlichen Mustertextes schon bei geringfügigen Änderungen verloren.

Der Widerruf eines Darlehens kann gerade in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase, erhebliche Vorteile bieten. Der Darlehenswiderruf eröffnet insbesondere die Möglichkeit sofort aus einem Darlehensvertrag mit hoher Verzinsung auszusteigen und für die aktuelle Darlehensrestschuld einen neuen Kredit mit niedriger Verzinsung aufzunehmen.

Aufgrund eines wirksamen Widerrufs wandelt sich der Darlehensvertrag in ein sogenanntes Rückabwicklungsverhältnis, die Parteien haben sich die empfangenen Leistungen daher gegenseitig zurückzugewähren. Die Bank muss hierzu nach erfolgtem Widerruf alle vom Darlehensnehmer erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen erstatten. Mit Beschluss vom 22.09.2015 (Az.: XI ZR 116/15) hat der BGH nochmals klargestellt, dass die Bank zusätzlich Nutzungsersatz in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zugang der jeweiligen Leistungen zu erbringen hat, weil die Bank mit den Zins- und Tilgungsleistungen bis zum Widerruf wirtschaften konnte. Die Bank darf ihrerseits die vereinbarten Zinsen für die Kapitalüberlassung verlangen, jedoch nur für die Restschuld (BGH, Beschluss vom 22. September 2015, Az.: XI ZR 116/15). Unter Umständen kann sich hier eine Vergünstigung ergeben, wenn der marktübliche Sollzins für ein vergleichbares Darlehen geringer gewesen ist.

Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist im Fall eines wirksamen Widerrufs nicht zu bezahlen. Eine bereits entrichtete Vorfälligkeitsentschädigung kann ggf. zurückgefordert werden, sofern noch keine Verjährung eingetreten ist (3 Jahre ab dem Schluss des Jahres in dem die Vorfälligkeitsentschädigung bezahlt wurde).

Ist der Widerruf erfolgt, so muss der Verbraucher der Bank die Darlehenssumme innerhalb von 30 Tagen zurück zahlen. Ratsam ist, die Rückzahlung vor dem Widerruf sicher zu stellen.

Das bisher unbegrenzte Widerrufsrecht für ältere Verträge soll nach den Plänen der Bundesregierung bald enden, um den Banken Rechtssicherheit zu verschaffen. Das Widerrufsrecht wird im Rahmen der Umsetzung der Wohnimmobilienverbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 2014/17/ЕU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU) reformiert, insbesondere soll das Widerrufsrecht bei Verbraucherkreditverträgen künftig zeitlich begrenzt werden. Die Richtlinie wird voraussichtlich zum 21.03.2016 in deutsches Recht umgesetzt. Für ältere Darlehensverträge soll eine gesetzliche Ausschlussfrist aufgenommen werden. Nach den derzeitigen Plänen wird die Möglichkeit ältere Darlehensverträge zu widerrufen etwa ab Mitte des Jahres 2016 enden.

Darlehensnehmer die ihren Darlehensvertrag ggf. widerrufen möchten, sollten die ihnen erteilte Widerrufsbelehrung von einem im Bank- und Kapitalmarktrecht erfahrenen Rechtsanwalt prüfen lassen.

Für weitergehende Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Rechtsanwalt Thomas Linhardt
Linhardt. Rechtsanwälte

Kunden, die zwischen Mitte 1994 und Ende 2007 Lebensversicherungen abgeschlossen haben und mit diesen unzufrieden sind, können u. U. auf Rückzahlungen hoffen.

In seinem Urteil vom 07.05.2014, Az.: IV ZR 76/11, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) zugunsten eines Versicherungskunden der gegen die Allianz Lebensversicherungs AG geklagt hatte.

Der Kläger hatte 1998 bei der Allianz Lebensversicherungs AG einen Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen. In dem damals üblichen sog. Policenmodell erhielt der Kunde die Vertragsinformationen erst nach der Antragstellung zusammen mit dem Versicherungsschein zugesandt. Die Widerrufsfrist begann daher erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem ihm die Versicherungsunterlagen vollständig vorlagen. Wurde über das Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt bzw. wurden die Unterlagen nicht vollständig zur Verfügung gestellt, erlosch gemäß dem damals geltenden § 5 a Absatz 2 Satz 4 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) alter Fassung (a. F.) das Widerrufsrecht spätestens nach Ablauf eines Jahres.

Der Kläger, der unstreitig über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt wurde, kündigte den Rentenversicherungsvertrag im Juni 2007 und erhielt den Rückkaufswert ausbezahlt. Erst mit Schreiben vom 31.03.2008 widersprach er dem im Jahr 1998 erfolgten Vertragsabschluss und forderte die Allianz Lebensversicherungs AG zur Rückzahlung aller Beiträge zzgl. Zinsen auf.

Nachdem Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart die Klage mit der Begründung zurückgewiesen hatten, der Widerspruch sei zu spät erfolgt, bekam der Kläger vor dem BGH nun Recht.

§ 5 a Absatz 2 Satz 4 VVG a. F. ist nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19.12.2013, Az.: C-209/12, dem der BGH die Rechtsfrage vorgelegt hatte, europarechtswidrig.

Der BGH hat daher in seinem Urteil vom 07.05.2014 nun festgestellt, dass für alle von der Vorschrift betroffenen Lebensversicherungen, Rentenversicherungen und Zusatzversicherungen zu Lebensversicherungen ein zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht besteht, wenn der Kunde nicht oder nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt wurde bzw. er die Verbraucherinformationen oder Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

Dem Kläger steht hiernach die Rückzahlung aller gezahlten Prämien abzüglich des Vermögensvorteils zu, den er durch den von der Allianz Lebensversicherungs AG tatsächlich gewährten Versicherungsschutz erlangt hat, bei Lebensversicherungen ist insoweit der sog. Risikoanteil von Bedeutung. Das OLG Stuttgart, an das die Sache zurückverwiesen wurde, wird nun über die angemessene Höhe eines entsprechenden Abzugs zu entscheiden haben.

Im Einzelfall kann eine Rückabwicklung finanziell wesentlich günstiger ausfallen als eine Vertragskündigung. Versicherungskunden, die zwischen 1994 und 2007 Lebensversicherungsverträge abgeschlossen haben mit denen sie unzufrieden sind, sollten diese daher von einem im Versicherungsrecht erfahrenen Rechtsanwalt prüfen lassen. Das gilt auch für bereits gekündigte Verträge. Eine Rückabwicklung kommt im Fall des Fortbestehens eines Widerspruchsrechts auch bei gekündigten und bereits abgewickelten Versicherungsverträgen noch in Betracht.

Für weitergehende Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Rechtsanwältin Sabine Schnell
Linhardt. Rechtsanwälte

Ob eine Rechtsschutzversicherung im Schadensfall eintritt, hängt maßgeblich davon ab, wann der Rechtsschutzfall ausgelöst wurde. Bestand zum betreffenden Zeitpunkt eine Rechtsschutzversicherung hat diese – bei Erfüllung auch der übrigen nach den Rechtsschutzbedingungen (ARB) erforderlichen Voraussetzungen – Deckung zu gewähren.

So hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 24.04.2013 entschieden, dass aus einer erst im Jahr 2005 abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung Deckung für den Widerruf einer bereits im Jahr 1995 abgeschlossenen Lebensversicherung zu gewähren ist. Die Lebensversicherung hatte im Jahr 2010, also in (rechtsschutz-)versicherter Zeit, den Widerruf des Versicherungsnehmers zum Abschluss der Lebensversicherung zurückgewiesen. Die Zurückweisung des Widerrufsrechts des Versicherungsnehmers stelle in dem vorgenannten Fall die für die Rechtsschutzversicherung maßgebliche Pflichtverletzung dar.

Rechtsschutzversicherte die beabsichtigen ihre Lebensversicherungen zu kündigen oder rückabzuwickeln, sollten daher stets prüfen lassen, ob diese im betreffenden Rechtsfall deckungspflichtig ist, auch wenn bereits eine erste Ablehnung der Versicherung vorliegt.

Für weitergehende Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Rechtsanwältin Sabine Schnell
Linhardt. Rechtsanwälte